Am helllichten Tag

Der geistig behinderte Ulvi Kulaç wurde wegen Mordes verurteilt. Ohne Spuren, ohne Beweise und ohne die Gewissheit, dass die verschwundene Peggy wirklich tot ist.

Frau Kulaç sitzt am Tisch in ihrer winzigen Kneipe und zündet sich mit zittriger Hand eine Zigarette an. Früher hatte sie, zusammen mit ihrem Mann, die große Schlossklause gepachtet, aber seit der tragischen Geschichte um ihren Sohn hat sich in ihrem Leben einiges verändert.

Im Jahr 2001 verschwand die 9-Jährige Peggy im oberfränkischen Lichtenberg ohne jede Spur. Die eingesetzte Kommission verzeichnete leider keine Ermittlungserfolge. Als der damalige Innenminister Beckstein eine neue Soko einsetzte, schoss man sich nach kurzer Zeit auf den geistig behinderten Ulvi Kulaç ein. Nach stundenlangen Verhören wurde behauptet, dass das Blut des Mädchens auf seiner Kleidung gefunden wurde, was jedoch nicht der Wahrheit entsprach. Nach vielen nervenaufreibenden Verhören legte Ulvi Kulaç ein Geständnis ab, dieses widerrief er jedoch er kurze Zeit später. Für Peggys Mutter bestand nun trotzdem Gewissheit um den Tod ihrer Tochter. Man hat daraufhin ein Grab für Peggy errichtet, welches seither das Datum aus dem besagten widerrufenen Geständnis trägt.

2004 wurde Ulvi Kulaç trotz allem zu lebenslanger Haft verurteilt. Ohne Spuren, ohne Beweise und ohne dass je Gewissheit bestand, dass Peggy nicht mehr am Leben ist. Der große, tollpatschige Kerl soll ihr am helllichten Tag unerkannt gefolgt sein, an mehreren bewohnten Häusern vorbei, ohne dass es jemand gesehen hat. Er soll sie still und leise ermordet haben und dann verschwinden lassen, trotz des IQ eines Fünfjährigen.

Unzählige Ungereimtheiten haben viele Unterstützer, darunter auch Peggys Großeltern, auf den Plan gerufen. Die Bürgerinitiative, unter Leitung von Gudrun Rödel, hat viele Jahre darum gekämpft, den Prozess neu aufzurollen und die Wahrheit herauszufinden. Am 9. Dezember 2013 ordnete das Landgericht in Bayreuth dann schließlich die Wiederaufnahme des Verfahrens an. Im Mai 2014 wurde Ulvi Kulac dann endlich des Mordes an Peggy freigesprochen.

veröffentlicht in Biss-Magazin 09/2011